GEM2GO ist nun sichtlich lesbarer 

Seit Kurzem bietet GEM2GO eine neue Applikation an: Mit Eye-Able können auch Sehbehinderte die Webseiten lesen.

Dass Lennart in der Schule dem Unterricht nicht immer folgen konnte, hatte nichts mit Unaufmerksamkeit zu tun. Er litt schon als Kind an einer genetisch bedingten Sehkrankheit. Wenn die Lehrerin oder der Lehrer etwas mit Kreide an die Tafel schrieb, musste er sich ganz besonders anstrengen, um das lesen zu können. Und manchmal gelang ihm das trotz größter Mühe nicht. 

In solchen Fällen war es ein Glückfall, dass Oliver Greiner sein Freund und Sitznachbar war. Wenn Lenart Probleme hatte, sprang der ein und las ihm vor, was an der Tafel stand. Das funktionierte ganz gut. Bis zum Abitur, wie die Matura in Süddeutschland heißt, wo die beiden Buben gemeinsam aufwuchsen. 

Die wirklichen Probleme begannen erst später. Die Freundschaft der beiden jungen Bayern hielt. Aber sie besuchten unterschiedliche Universitäten. Und Lenart war nun auf sich alleine gestellt: Beim Studium gab es niemandem, der ihm leise vorlas, was an der Tafel stand. Und ein mindestens ebenso großes Problem, war die für die Lektüre notwendige Online-Recherche. Lenarts Lesefähigkeit hatte mit zunehmendem Alter noch mehr abgenommen. Wenn er eine Website öffnete, verschwammen die Buchstaben vor seinen Augen. Irgendwann ging es einfach nicht mehr und der junge Mann musste sein Studium abbrechen. 

Als sein ehemaliger Schulfreund davon erfuhr, war er bedrückt. Wie konnte es im 21. Jahrhundert sein, dass ein intelligenter und fleißiger Student die Universität verlassen musste, weil die Lernunterlagen nicht für sehbehinderte Menschen gemacht waren? Oliver Greiner beschloss, etwas dagegen zu tun. Erst im Rahmen seines eigenen Studiums an einer Fachhochschule, wo er gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen eine Studie zum dem Thema durchführte – anhand praktischer Schilderungen von sehbehinderten Menschen. 

Daraus wurde nach seinem Abschluss ein größeres Projekt: Er hatte den Entschluss gefasst, eine ebenso einfache wie wirkmächtige Software zu entwickeln, die Blinden und Sehbehinderten den Zugang zum Internet erleichtert. Das war der Startschuss für „Eye-Able“, eine Software für den barrierefreien Zugang zum Internet. 

Einiges gab es bereits zuvor. Bildschirmlupen, mit denen die Schrift vergrößert wurde. Auch die Möglichkeit, sich Inhalte von einer Computerstimme vorlesen zu lassen. Aber im Großen und Ganzen stand die Technologie noch in den Kinderfüßen. 

Vor gut zwei Jahren gründete Oliver Greiner mit seinem Bruder Tobias in Würzburg das Unternehmen Eye-Able, spezialisiert auf eine  einfache, für jede Website zu installierende Applikation zur Barrierefreiheit. Nun ist Eye-Able ein besondere Coup gelungen. Seit Kurzem ist die Software auch für GEM2GO verfügbar. 

„GEM2GO ist unser erster großer Kooperationspartner in Österreich“, sagt Tobias Greiner, zuständig für die technische Entwicklung. Eingefädelt wurde die Zusammenarbeit im September letzten Jahres bei der Kommunalmesse Tulln, bei der auch „RIS GmbH“-Geschäftsführer Michael Kölbl mit einem Stand vertreten war. Man war einander sofort sympathisch. „Von beiden Seiten war das Interesse groß“, erzählt Greiner. Nur ein paar Monate später wurde die Assistenzsoftware im Angebot von GEM2GO integriert. 

Wie aber kann man sich Eye-Able vorstellen? Insgesamt umfasst die Applikation 25 Funktionen: Dazu gehört ein vergrößerter Mauszeiger, vergrößerte Schrift, die Möglichkeit, Bilder und andere Effekte auszublenden oder auch, sich Texte vorlesen zu lassen. All das lässt sich mit nur einem Klick bequem einrichten. Tobias Greiner räumt mit dem Vorurteil auf, dass es sich dabei um ein Nischenprodukt handelt: Alleine in Österreich leiden rund 318.000 Menschen an einer starken Sehbehinderung, die sich nicht einfach durch eine Brille beseitigen lässt. Zum Vergleich: Die zweitgrößte Stadt Graz hat rund 290.000 Einwohnerinnen und Einwohner. 

Dazu kommen noch andere Gruppen: Studien zufolge leiden bis zu zehn Prozent aller Männer an einer Farbsehschwäche – sie haben zum Beispiel ein Problem, Rot und Grün zu unterscheiden. Auch hier hilft Eye-Able, indem Farben verändert werden, um Kontraste besser sichtbar werden zu lassen. 

Und manche Funktionen, etwa Blaufilter oder Nachtmodus, schätzen auch Menschen, die an keiner Einschränkung der Sehkraft leiden. „Das ist angenehmer für die Augen und macht die Seiten insgesamt leichter sehbar“, sagt Tobias Greiner. Viele Menschen, die jeden Tag viele Stunden vor einem Bildschirm sitzen, bekommen irgendwann Kopfweh, die Inhalte verschwimmen. Auf Dauer ist das ziemlich anstrengend und nicht gesund. Der Blaufilter entlastet die Augen, ebenso eine geringfügig größere Schrift. Mit der Eye-Able-Applikation kann man jede Funktionen einzeln dazuschalten, vieles lässt sich individuell skalieren. 

Geht es nach Eye-Able, dann soll das erst der Anfang sein. Für die Zukunft sind noch viele weitere Funktionen geplant, die immer erst von Betroffenen getestet und bewertet werden. Immerhin wissen Sehbehinderte selbst am besten, was ihnen hilft. 

Das kleine Würzburger Unternehmen hat in den beiden letzten Jahren einen sensationellen Start hingelegt. Seit Kurzem gibt es auch eine personelle Erweiterung. Greiners Schulfreund Lenart – der inzwischen eine Ausbildung zum Physiotherapeuten absolviert hat – ist nun auch mit an Bord. Am Ende sind die beiden Freunde zwar nicht mehr Tischnachbarn. Aber sie sitzen nun nach Jahren wieder im selben Büro. GEM2GO Gemeinde Felixdorf mit GEM2GO EYE-ABLE